Traumurlaub

Traumurlaub von Mag. Hermann Schrammel.

Ich träume vom Urlaub. Irgendwo im Süden. Ich träume vom Meer, Strand, viel Sonne und Ruhe, Erholung, Zeit.

Ich träume vom Strand. Dort ist viel weißer Sand. Ich lasse ihn durch die Finger rieseln. Beim Gehen werden für kurze Zeit meine Fußabdrücke verewigt. Ich bin ganz allein. Es ist heiß. Nur ein leichter Wind kühlt die Hitze auf meinem Körper. Im Hintergrund stehen Palmen, deren Blätter wie ausgebreitete Arme vor der strahlenden Sonne schützen. Ich blicke aufs Meer. Am Horizont sehe ich ein weißes Schiff, und ich stelle mir vor, einmal mit so einem Schiff die Ozeane zu überqueren.
Es ist schön hier.

Als ich dann zum Strand kam, waren dort viele weiße Leute. Sie drängten und stritten sich um ein kleines Fleckchen am überfüllten Strand. Beim Gehen mußte ich aufpassen, um nicht in die Scherben einer Cola-Flasche zu steigen. Ein leichter Wind verstärkte die neuesten Schlager, die aus Transistorradios plärrten. Im Hintergrund standen Wolkenkratzer und Hotelketten, die wie Bausteine eines Riesen in die Landschaft gestellt wurden. Ich sah aufs Meer hinaus. Vom Strand bis zum Horizont waren Segler, Surfer, Ruderer, Wasserschifahrer, Boote, Schiffe, Yachten, Kreuzer, und ich stellte mir vor, daß man bald die Ozeane zu Fuß überqueren kann, indem man von einem zum andern springt.

Ich träume von unbekannten Orten, von kleinen Dörfern, die im Laufe der Zeit um ihr Zentrum (einem Hauptplatz?, einem Dorfbrunnen?) gewachsen sind. Die Leute sind freundlich und aufmerksam. Ich tue mir schwer, die Sprache der Einheimischen zu verstehen, aber mit Gesten und Geduld bekomme ich das ganze Weltgeschehen erklärt. Die Wegweiser führen mich durch wunderschöne Landschaften zu anderen Dörfern oder gar Städten.
Es ist schön hier.

Als ich dann zu diesem Ort kam, waren im geplanten Zentrum Geschäfte und Büros. Die Leute rannten an mir vorbei, als ob ich nur ein Schatten ihrer selbst sei. Sie sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, viele auch Deutsch. Ihre Gesten waren ordinär, und ihre Geduld entsprach dem Vorwärtssprung eines Sekundenzeigers auf ihrer Rollex. An den Ecken standen Kolporteure. Sie riefen: „Krone, Kurier, Bazar neuer" und brachten dir so das Weltgeschehen verständlich näher. Die Wegweiser führten mich zu Mc Donald's, General Motors und Eskimo. Auf dem Ortsschild fand ich einen Aufkleber: „Wien ist anders".

Ich träume von einem Hotel. Ein Boy trägt meine Koffer auf das gepflegte Zimmer. Ich habe einen schönen Ausblick auf das Meer. Das Personal ist sofort zur Stelle, wenn ich etwas brauche. Das Essen ist einfach, aber gut - so wie die Leute.
Es ist schön hier.

Als ich in das Hotel kam, konnte ich die Koffer selber tragen. Der Liftboy hatte Ausgang, der Lift selbst funktionierte sowieso nicht. (Das tat er noch nie.) In dem Zimmer wurde ich von Kakerlaken und anderen Ungeziefer belästigt. Ich hatte einen Ausblick auf wüste Baustellen; halbfertige Häuser und halbzerstörte Ruinen verstellten den Blick auf das Meer. In meinem Zimmer war die Dusche kaputt, warmes Wasser gab es nur von 14.00 bis 16.00 Uhr, da war die Pause des Personals (zwei Putzfrauen, eine Rezeptionistin, der Liftboy, der auch für Beschwerden zuständig war), und das Klo war am Gang einen Stock tiefer.
Im Hotel war Selbstbedienung, das bedeutete auch Selberkochen. Es bestand aber die Möglichkeit im Geschäft nebenan ein Fertiggericht aus einer Dose zu bestellen. Das schmeckte so, wie hier die Leute waren - fad, aber kalt.

Ich träume von Kirchen und Kultstätten, die Zeugnis geben von dem Glauben und der Mentalität der Leute. Ich darf sie bei ihren Traditionen, Gebräuchen und Riten beobachten. Der Geruch von Weihrauch oder Räucherstäbchen steigt mir in die Nase. Ich spüre die Kraft ihres Glaubens, der sie ihr ganzes Leben begleitet.
Es ist schön hier.

Als ich dann in eine Kirche kam, war ich Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen einem Wächter und einem der hundert Touristen. Ich konnte die Herrn in ihren kurzen Hosen und T-Shirts beobachten, wie sie mit ihren Videokameras filmten oder fotografierten. Ich sah die Damen mit beblumten Kleidern, wie sie traditionsgemäß in ihren Handtaschen nach einem Taschentuch oder einem Kosmetikartikel suchten. Ich sah Kinder in herzigen Kostümen, deren Eis langsam auf die kalten Steinplatten tröpfelte. Der Geruch von Zigaretten störte meine Nase. Ich spürte die Kraft eines Schlages, den mir ein Mann - unabsichtlich, wie er mir sagte - versetzte. Später fehlte meine Brieftasche.

Ich träume von einem Restaurant. Dort gibt es fremdartige Speisen und sorgsam zubereitete Getränke. Der Kellner ist mir bei der Auswahl des Menüs behilflich. Der Wirt setzt sich einige Zeit zu mir, und wir plaudern und tauschen Erfahrungen aus. Zum Schluß bekomme ich noch das Nationalgetränk auf Rechnung des Hauses.
Es ist schön hier.

Als ich dann in das Restaurant kam, gab es dort Wiener Schnitzel mit Pommes Frites (das Ketchup stand schon auf dem Tisch) und importiertes Bier. Der Kellner sprach fließend Deutsch mit kärntnerischem Dialekt. Der Chef des Restaurants setzte sich einige Zeit zu einer vornehm aussehenden Gesellschaft, die mit Kreditkarten bezahlte. Zum Schluß bekam ich die Rechnung des Hauses, die ich mit Schilling beglich.

Ich träume vom Abend, wo ich spazieren gehe, vielleicht in eine kleine Schenke einkehre. Dort spielt man volkstümliche Musik. Man kann nette Menschen treffen und neue Freundschaften schließen. Ich fühle mich wohl in der Gesellschaft, trinke ein bißchen, tanze ein bißchen und bin fröhlich.
Es ist schön hier.

Als es dann Abend wurde, war es Nacht, und es war hell wie am Tag. In den Bars war ein Gedränge, aus den Diskotheken strömte die Welt von Ö3. Die Männer suchten sich Frauenbekanntschaften, denen sie für eine Nacht ewige Liebe schwörten. Ich fühle mich unsicher, in der Gesellschaft von Kriminellen, Gaunern, Betrügern, die sich von anderen nicht unterscheiden, weil es ihnen alle gleich tun. Viele tranken ein bißchen zu viel, tanzten schwankend durch die Straßen und waren froh, daß sie nicht die einzigen waren, die in der nächsten Zeit nicht schlafen konnten.

Ich träume vom Urlaub. Träumen ist immer schöner als die Realität. Die Wirklichkeit aber bringt mich zurück und hält mich am Boden fest.
Nächstes Jahr bleibe ich zu Hause. Dann habe ich zwar kein Meer, keinen Strand, nicht so viel Sonne, aber dafür

Ruhe, Erholung und Zeit!


Schreib mir , was du von "Traumurlaub" hältst.


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Last updated on 25. August 2011, 11:30 by Mag. Hermann Schrammel.